Wir müssen reden.
Als internationales Festival mit starker politischer Ausrichtung und Bildungsauftrag sind wir uns unserer Verantwortung bewusst, Werte nicht nur zu „proklamieren“, sondern diese auch zu leben und eine klare Position zu beziehen. Denn das Festival soll ein offener und sicherer Raum für Begegnungen sein, in dem respektvolles Verhalten selbstverständlich ist. Dies soll sich nicht zuletzt in unseren Angeboten widerspiegeln. Seit vielen Jahren bieten wir Gesprächsformate zum Festival an und touren mit unseren Kurzfilmprogrammen durch Sachsen, suchen den Austausch, versuchen unserem Bildungsauftrag gerecht zu werden.
Wir haben lange überlegt, wie und ob wir uns zu den derzeitigen weltpolitischen Geschehnissen äußern sollen und können. Mit großer Besorgnis beobachten wir den erneuten Anstieg von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Dresden und Deutschland. Wir stehen ganz klar gegen jede Form von Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Fremdenhass. Wir verurteilen jegliche Form von Gewalt und Terror sowie das Töten und die Unterdrückung von Zivilist:innen und Völkern.
Mit großer Besorgnis beobachten wir aber auch eine sich zunehmend verschärfende Diskussionskultur, in der es unmöglich scheint, sachlich und ausgewogen Diskurs zu führen.
Für uns ist jedoch Diskurs die Grundlage demokratischen Handelns. Auch wir befinden uns in einem steten Lernprozess, machen Fehler, hinterfragen unsere Entscheidungen und Handlungen, müssen unsere Position immer wieder justieren und lassen uns beraten. Dies ist in unseren Augen wichtiger Teil eines jeden demokratischen Prozesses.
„Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“ schrieb einst Rosa Luxemburg im Gefängnis und meint laut der Philosophin Bini Adamczak „genau das: dass sich keine Regierung der Welt, keine politische Bewegung hinstellen und von sich behaupten kann, ein fertiges Konzept bereits in der Tasche zu haben, das sie nun von oben dekretieren kann. Sondern die Entwicklung eines Gemeinwesens, das nicht herrschaftlich organisiert ist, muss immer mit allen gemeinsam geschehen – und das heißt eben auch, mit denen, die eine andere Meinung haben.“
Wir müssen daher reden. Darüber, wie wir als Gemeinschaft für unsere Werte und Freiheit als höchstes menschliches Gut eintreten können. Es gilt, Ambivalenzen wahrzunehmen und auszuhalten, ohne den eigenen moralischen Kompass aus den Augen zu verlieren. Wir können nicht über „safe spaces“ diskutieren und diese nicht anbieten. Wir können als Kulturschaffende nicht Diskurs proklamieren und diesen dann verweigern, wenn es komplex wird. Wir müssen zuhören, andere Positionen verstehen aber auch die eigenen deutlich vertreten. Dies beginnt ganz klar in unseren lokalen Communities. Lasst uns daher gemeinsam „safer spaces“ schaffen, voneinander lernen und vor allem denen zuhören und Raum geben, deren Heimat und Freiheit bedroht oder nicht (mehr) existent sind.
Lasst uns reden.