Ein Kommentar zur Berichterstattung


Eine berauschende Festivalwoche liegt hinter uns – eine Woche voller intensiver, streitbarer, versöhnlicher, irritierender und, um mit Peter Kremski zu sprechen: überraschender Begegnungen der kurzen Art.

Wir lieben diese Woche, denn wir alle konnten tief internationale Luft holen. Auch die lokale Berichterstattung in der SZ und DNN würdigte das Programm des Festivals in ihren Resümees und bezeichnete die Festivalwoche als „qualitätsvoll, mutig, spannend, politisch und anziehungskräftig wie nie“ (Oliver Reinhard). Das freut uns natürlich. Jedoch trübt sich dieser Eindruck durch Formulierungen und Zusammenhänge, die wir so nicht gewählt hätten und hiermit hinterfragen:

1. Dass wir uns als Festival die Internationalität groß auf die Fahnen schreiben, ist unübersehbar. Auch eine entsprechende Sensibilität für alltäglichen Rassismus und Sexismus zu entwickeln, ist uns wichtig. In diesem Sinne sehen wir die Erste Nacht (Film "Prima Noapte") eines jungen Mannes weder „in rumänischer Weise“ noch halten wir Formulierungen wie „beflissene Nutte“ für angemessen (Beide Zitate aus „Authentizität als neue Währung“ von Andreas Herrmann in der DNN vom 10.04.2017). Darüber hinaus endet derselbe Artikel inhaltlich falsch, wenn das Juryzitat ‚Zerbrechlichkeit männlicher Identität‘ durch Herrn Herrmann in den Zusammenhang mit einer „versuchten Vergewaltigung“ gestellt wird. Diese Verbindung legt weder die Jurybegründung noch der prämierte Film nahe.

2. Auch im Artikel „Keine Zeit für blaue Augen“ in der SZ vom 10.04.2017 wird unserer Meinung nach zu unvorsichtig mit einer persönlichen Meinung hantiert. So wird ein nicht belegtes Zitat bemüht, in welchem angeblich ein oder mehrere Festivalgäste nicht einverstanden gewesen seien, dass der Förderpreis der Sächsischen Kunstministerin an einen rumänischen Künstler gegangen sei. Das FILMFEST DRESDEN hat den Film des Künstlers Andrei Tănase für den Nationalen Wettbewerb ausgewählt, weil er in Deutschland produziert wurde. Mit der Teilnahme am Wettbewerb ist der Film folgerichtig ein Kandidat für besagten Förderpreis.
Die Frage, ob man einem rumänischen Künstler, der in Deutschland arbeitet, diesen Preis zugesteht, beginnt also sogar mit der Frage, ob sein Film im Nationalen Wettbewerb laufen darf. Unserer Ansicht nach macht die Frage eine Diskrepanz zwischen in Deutschland ansässigen Filmemacherinnen deutscher und nichtdeutscher Herkunft auf, die wir als Festival nicht unterstützen. Wir stehen mit dieser Politik nicht allein. Auch das kürzlich novellierte Filmfördergesetz knüpft die Förderfähigkeit eines Films nicht allein an die Nationalität des Regisseurs oder der Regisseurin sondern lässt weitere und andere Anhaltspunkte zu, die eine Filmproduktion dem Produktionsstandort Deutschland zuordnen lassen (Vgl. dazu www.ffa.de/ffg-2017.html, hier v.a. § 41).

3. Zudem möchten wir Stellung zu der von Herrn Reinhard aufgestellten Rechnung beziehen, das FILMFEST DRESDEN werde mit zu wenig Kulturförderung ausgestattet, weil die nötigen Mittel wegen „des großen Themas“ Migration fehlten. Einen solchen Zusammenhang herzustellen finden wir in höchstem Maße unglücklich. Unserer Erfahrung nach wird die freie Kulturszene länger als nur in den vergangenen zwei Jahren mit zu geringen Mitteln seitens der Stadt Dresden ausgestattet (Informationen zur Lage der freien Kulturszene finden sich unter anderem unter: www.netzwerk-kultur-dresden.de).
Implizit werden im Artikel „Keine Zeit für blaue Augen“ Kultur- und Migrationspolitik gegeneinander ausgespielt – ein Spiel, das für das aktuelle gesellschaftspolitische Klima in unserer Stadt kaum zuträglich sein dürfte und für das wir als FILMFEST DRESDEN nicht zur Verfügung stehen.

Über eine redliche und lebendige Diskussion dieser Standpunkte freuen wir uns!

Karolin Kramheller, Katrin Küchler und Alexandra Schmidt

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