2012 Fokus Québec: Le point de non-retour
Filme über den Tod und das Leben
Sophie Goyette und Nicolas Roy am Abgrund
die Filme von Sophie Goyette und Nicolas Roy haben Folgendes gemeinsam: Sie werfen einen exakten Blick auf das Vorher und nachher, ein Augenblick, der zugleich sehr kurz und unendlich ist und in dem sich laufend alles verändert. nichts bleibt so, wie es ist. Es gibt kein Zurück. diese Momente, die sie in ihren Filmen einfangen, diese Seelenzustände sind intensiv, schmerzvoll und reichen tief. Mit ihren mehr impressionistischen als realistischen Werken ergründen sie die dunklen Seiten der menschlichen psyche.
Zur gleichen Zeit können wir uns ihnen entgegenstellen, so wie wir uns dem Tod und dem Leben entgegenstellen können. die Arbeit von Nicolas Roy ist stark vom Tod besetzt, während das Werk Sophie Goyettes das Leben in den Vordergrund stellt. Nicolas Roy erzeugt in seinen Filmen eine fantastische Atmosphäre und unheimliche Schimären, während Sophie Goyettes Ästhetik sich mehr an der Realität orientiert, wenn sie gesellschaftliche Themen in einer präzise formulierten Umgebung behandelt.
Über Nicolas Roys Filmen schwebt stets der Tod. der Tod und das Böse: das Unumkehrbare wird jenseits der Leinwand erdrückend präsent. Im Jahr 2001 läutete „Novembre“ ein goldenes Jahrzehnt für den Kurzfilm in Quebec ein, das reiche Früchte trug. doch Nicolas Roys Kurzfilm, sein erster in der „Novembre“-Trilogie, hatte noch mehr zu bieten: dieses drama, die (letzte?) Reise einer Frau mit ihrer Tochter in einem seltsamen Krankenwagen, einer Art „Wagen des Todes“, ermöglichte es dem Kurzfilm, über Quebec und seine gesellschaftlichen Themen hinauszublicken. Nicolas Roy flirtete mit Maupassants fantastischem Erzählstil, der ebenso neuartig wie wirkungsvoll war.
Im Jahr 2011, zehn Jahre später, beendete Sophie Goyette die Arbeit an ihrem neuen Film „La Ronde“. Auch hier spielt der Tod irgendwie mit, wartet, hält sich versteckt. Aber tatsächlich geht es um den langen Abschied von der Vorstadt, vom Vater und dem bisherigen Leben. Ihr Film zeigt uns die verschiedenen Prozesse vor einer Neugeburt. Mit einer einzigen Geste spricht Sophie Goyette in feinfühliger Weise über ihre Kindheit in der Vorstadt und die Sehnsucht, diese Welt hinter sich zu lassen, um ein neues Leben zu beginnen. Ein symbolischer und ein echter Tod gehen dieser Verwandlung voraus.
Derzeit arbeiten beide Regisseure an ihrem ersten Langfilm.
Philippe Gajan
Die Filme
CE N'EST RIEN (IT'S NOTHING), Nicolas Roy (Fiktion, Kanada 2011)
Michel lebt allein mit seiner Tochter Marie. doch heute nimmt ihr eher monotones Leben eine dramatische Wende.
NOVEMBRE, Nicolas Roy (Fiktion, Kanada 2001)
Traurigkeit und Hoffnung. Eine junge Frau und ihre Mutter ... auf einer Straße. Alles bewegt sich, aber in welche Richtung?
LÉO, Nicolas Roy (Fiktion, Kanada 2003)
Seit seine Mutter tot ist, lebt der zwölfjährige Léo allein mit seinem Vater und seinem Hund in einem heruntergekommenen kleinen Haus. Es ist ein trostloser Ort. Aber ab heute ist Léo nicht mehr derselbe.
PETIT DIMANCHE (SUNDAY), Nicolas Roy (Fiktion, Kanada 2003)
Jacques und seine Schwester kümmern sich um ihren jungen Cousin Michel. Trotz der schwierigen Situation versuchen sie, eine schöne Zeit miteinander zu haben.
MANÈGES (RIDES), Sophie Goyette (Fiktion, Kanada, 2010)
In tiefster Nacht am Steuer ihres Autos sucht nadège nach Freiheit und findet sie an einem bekannten ort: eine 24-Stunden-Kartbahn, wo sie bis zum Morgengrauen bleibt. Sie steht vor einer Entscheidung.
LA RONDE, Sophie Goyette (Fiktion, Kanada, 2010)
Die Nacht bricht ein und Ariane sagt Lebewohl: dem Bungalow ihres Vaters, ihrem Zwillingsbruder, ihrer Heimatstadt und ihren Stammplätzen, angetrieben von der Sehnsucht woanders aufzuwachen - irgendwo, nur nicht hier.