2018 Fokus Québec: Manifeste pour un réalisme poético-excentrique

Joëlle Desjardins Paquette und Jean-Guillaume Bastien im Gespräch

Mit individuellen Erzählungen und Ausdrucksformen, die nicht zuletzt die Diversität des modernen Kanadas als Land der vielen Sprachen und noch viel mehr Kulturen widerspiegeln, zeichnen sich Filmemacher*innen aus Quebéc durch innovative Geschichten und durch ungewöhnliche Perspektiven aus. Die Arbeiten der jungen Regisseurin Joëlle Desjardins Paquette erzählen absurde Alltagsdramen und unkonventionelle Liebesgeschichten, für die sie ihren eigenen Mikrokosmos erschaffen hat. Pointiert, reich an Metaphern, schwarzhumorig, aber dennoch zutiefst liebevoll porträtiert sie Menschen, die ihr altes Leben hinter sich lassen und in neue Abenteuer aufbrechen wollen. Ihre Filme treten miteinander in Dialog; deren Protagonist*innen kreuzen ihre Wege an Orten, an denen die Zeit stillzustehen bleibt.

Joëlle Desjardins Paquette studierte in Bordeaux und in Montréal. Ihre Filme SANS DEHORS NI DEDANS (2014) und FLOTS GRIS (2016), beide von Kritiker*innen und Publikum gleichermaßen gelobt, bilden zwei Teile der „Trilogie der Trauer“, die sie voraussichtlich noch 2018 abschließen kann. 

Der Sinn für das Poetisch-Skurrile, den melancholischen Humor, aber auch das Thema der Identitätssuche verbinden ihre Arbeiten mit denen des beinahe gleichaltrigen Jean-Guillaume Bastien. Während die Filme von Joëlle Desjardins Paquette als „urbane Western“ bezeichnet werden können, hat der in Amqui am Sankt-Lorenz-Strom geborene Regisseur allerdings eher eine Affinität zum Theater. JE NE SUIS PAS UN GRAND ACTEUR (2013) hat einen zweifelnden Schauspieler einer „Commedia dell’arte“-Truppe zum Protagonisten, RUBY PLEINE DE MARDE (2016) ist die Adaption eines Off-Theaterstücks. 

Der Fokus Quebéc des FILMFEST DRESDEN stellt die Arbeiten der beiden Regietalente aus dieser Region gegenüber und eröffnet somit eine Dialogebene zwischen ihren Werken. 

Die Filme

VOIR LE CIEL (VIEW THE SKY), Joëlle Desjardins Paquette (Fiktion, Kanada, 2012)

Ein kleines Mädchen geht mit dem Gewehr zum Strand. Warum sie dort in den Himmel schießt, hat einen äußerst banalen Grund: Sie mag keine Möwen. Die Zuschauer*innen erfahren den Grund für ihre Abneigung, der fast schon einleuchtend ist.

APNÈES (APNEA), Joëlle Desjardins Paquette (Fiktion, Kanada, 2012)

Erzählt wird die Geschichte von Liv, die seit jeher Schlafwandlerin ist. Die hyp-notischen Bilder wirken wie ein Sog, in den auch die Zuschauer*innen geraten.

PAPARMANE (WINTERGREEN), Joëlle Desjardins Paquette (Fiktion, Kanada, 2011)

Der Film erzählt von einer schicksalhaften Begegnung zwischen einem melan-cholischen städtischen Angestellten und einer manischen Glücksbotin. Der Parkplatzwächter und die singende Telegrammbotin finden durch eine depres-sive Katze zusammen und treten fortan als ein ganz spezielles Duo auf.

SANS DEHORS NI DEDANS (WITHIN AND WITHOUT), Joëlle Desjardins Paquette (Fiktion, Kanada, 2014)

Ein Junge und seine depressive Mutter leben als Nomaden ausschließlich in der Gegenwart und treffen auf Charaktere, für die nur das Gestern existiert. Der Film präsentiert einen surrealen Mikrokosmos, der auch von einem „allwissenden“ Leguan bevölkert ist.

FLOTS GRIS (BEYOND BLUE WAVES), Joëlle Desjardins Paquette (Fiktion, Kanada, 2015)

Nach einer schwierigen Trennung irrt Livia herum, verfolgt von einem Pfau. Ein urbaner Western aus dem Herzen von Montréal-Est.

JE NE SUIS PAS UN GRAND ACTEUR (I'M NOT A GREAT ACTOR), Jean-Guillaume Bastien (Fiktion, Kanada, 2013)

Noch wenige Minuten, dann hebt sich der Theatervorhang – der Hauptdar-steller befindet sich in einem Dilemma. Geht er auf die Bühne oder verlässt er das Theater? Er fühlt sich nicht als Teil der Schauspielerfamilie, will nicht an ihren leeren Ritualen teilnehmen.

RUBY PLEINE DE MARDE (RUBY FULL OF SHIT), Jean-Guillaume Bastien (Fiktion, Kanada, 2016)

Die Weihnachtsfeiertage verbringt Denis mit seinem Lebenspartner Carl bei dessen katholischer Familie – und fühlt sich äußerst unwohl. Dies spürt Ruby, die sechsjährige Nichte von Carl. Sie provoziert Denis, dem es immer schwerer fällt, seine Rolle als Carls „Bekannter“ aufrechtzuerhalten.