Darf´s ein bisschen mehr sein? Die Eröffnungsrede der Festivalleitung
Die Rede der Festivalleiterin Karolin Kramheller zur Eröffnung des 29. FILMFEST DRESDEN am 4.April 2017 in der Schauburg:
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Gaul,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Klepsch,
sehr geehrte Abgeordnete des kommunalen und des Landesparlaments,
sehr geehrtes Publikum,
ich darf Sie heute im Namen der Festivalleitung herzlich zum 29. FILMFEST DRESDEN begrüßen.
Wieder startet diese verrückte, hoch konzentrierte, lebhafte Festivalwoche. Wir freuen uns sehr, dass 320 Filme pünktlich vorbereitet sind, um in den nächsten sechs Tagen auf Leinwänden in der ganzen Stadt zu erscheinen.
Wieder einmal hat das FILMFEST DRESDEN einen Sprung nach vorn gemacht. Es ist deshalb berechtigt, von einer verrückten Festivalwoche zu sprechen. Wie könnte man denn jedes Jahr einen Sprung nach vorn machen, ohne verrückt zu werden?
Als wir kürzlich einen längerfristigen Vergleich zogen, mussten wir uns vor Schreck setzen und einen Schnaps trinken. Seit das Festival 2010 aus dem Metropolis in die Neustadt zurück gezogen ist, haben sich mehrere Bereiche tatsächlich verdoppelt! Darunter fallen die Zahl der Kauftickets, die Anzahl der Veranstaltungen, aber auch die Anzahl der weltweiten Partner. All das wäre sicher nicht möglich gewesen, wenn sich nicht auch die Sponsoringeinnahmen seither mehr als verdoppelt hätten.
Und als ob das nicht genügte, startet das Jahr 2017 gleich mit einem Rekord. Statt 550 Gäste aus der Branche im letzten Jahr, verzeichnen wir schon zu Beginn des diesjährigen Festivals über 600 Fachbesucher. Darüber hinaus hoben wir für das 29. FILMFEST DRESDEN unser Projekt „Kino ohne Barrieren“ aus der Taufe und setzen uns damit ganz neue Ziele.
Meine Kolleginnen Katrin Küchler und Alexandra Schmidt, wie auch das ganze Team, freuen sich selbstverständlich über diese grandiose Entwicklung – sie zeugt ja von unserer sehr guten Arbeit. Dennoch stellen wir uns manchmal die verwegene Frage, ob wir das Wachstum nicht zurückdrehen oder zumindest aufhalten müssen. Denn die Ressourcen, die wir zur Verfügung haben, wachsen nicht in gleichem Maße und werden unserem Festival nicht mehr gerecht.
Sollten wir also lieber auf die Bremse treten? Sollten wir nicht lieber ein überschaubares, mittelmäßiges Festival machen, zu dem wir weiterhin jährlich den Oberbürgermeister einladen, der dann immerhin berechtigte Gründe hätte, weiterhin nie zu kommen?
Doch ich denke, Sie wissen längst, wie die Antwort ausfällt: Wir alle würden es nicht übers Herz bringen. Auch wenn das hier in Dresden vielleicht nicht allen bewusst ist: Das FILMFEST DRESDEN hat weltweit einen sehr guten Ruf, ist unter den Kurzfilmfestivals europaweit eines der professionellsten und ist dennoch familiär und sympathisch geblieben. Dieses Festival ins Mittelmaß abgleiten zu lassen, würde den in jahrzehntelanger Arbeit erreichten internationalen Ruf in kürzester Zeit zerstören!
Dass dies nicht schon vor Jahren passiert ist, ist übrigens zu einem erheblichen Teil der Sächsischen Staatsregierung zu verdanken, die unsere Institutionelle Förderung in Anerkennung unserer Bedeutung für Sachsen vor drei Jahren um 70 Prozent angehoben hat.
Von Beginn an war das FILMFEST DRESDEN als internationales Festival angelegt. Aus unserer Sicht hätte auch die Stadt Dresden allen Anlass, diese Qualität zu sichern und auszubauen.
Wir brauchen weiterhin die besten Kurzfilme aus einem wirklich breiten Spektrum an Ländern für unser Programm. Und wir wollen natürlich auch den Filmemacher/innen ermöglichen, ihre Werke persönlich vorzustellen.
Es geht hierbei nicht mehr um weiteres Wachstum. Es geht darum, die hohe Qualität des Festivals erhalten zu können. Konkret:
- Wir brauchen Möglichkeiten, weltweite Kontakte zu pflegen
- Wir brauchen Kapazitäten für langfristige programmatische Arbeit
- Wir brauchen Mittel, um Honorare für Experten und Künstler/innen bezahlen zu können
- Damit wir überhaupt sinnvoll weiterarbeiten können, müssen wir übrigens mit unserem Büro umziehen, aber das ist inzwischen vielen hinreichend bekannt
Die großen Fragen, die ich an dieser Stelle den Politikerinnen und Politikern der Stadt Dresden – und zwar allen – nicht nur denen aus dem Kulturbereich – stellen möchte, sind diese:
- Will sich die Stadt damit zufrieden geben, einmal jährlich unterhaltsame Kurzfilme auf den Dresdner Leinwänden zu sehen?
- Kann diese Stadt auf die Internationalität des FILMFEST DRESDEN verzichten?
- Reicht dieser Stadt auch ein provinzielles Filmfest?
- Oder darf es doch lieber ein bisschen mehr sein?
Wenn Sie unserem Publikum folgen wollen, und hier auf diesen Leinwänden die gebannte und gespannte Leidenschaft sehen und begreifen wollen, mit der Filmemacher/innen ihre Werke schaffen, dann unterstützen Sie uns darin, weiterhin ein aktuelles und streitbares Festival zu machen.
Ich danke Ihnen, liebes Publikum, für Ihre Geduld. Der Rest des Festivals wird Ihnen gefallen!
Ich wünsche Ihnen allen im Namen der Festivalleitung eine großartige Festivalwoche mit beeindruckenden filmischen Erlebnissen!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!