Die Mitteldeutsche Filmnacht 2020

Gewinner der 9. Mitteldeutschen Filmnacht: Karl-Friedrich König mit DER RUF

Erkundungen des Unbekannten 

Die Mitteldeutsche Filmnacht wird neun Jahre alt. Eigentlich kein Geburtstag, der besonders herausgestellt werden müsste – wir machen es trotzdem! Mit jedem Jahr schafft es die Mitteldeutsche Filmnacht, sein Publikum zu begeistern, es mit seinen überzeugenden Beiträgen regionalen Filmschaffens zu (Freuden-)Tränen zu rühren, in Gesprächen mehr über die Filmemacher*innen zu erfahren und nicht zuletzt zu ermutigen, für den Favoriten des Abends abzustimmen: Denn hier entscheidet die vielleicht strengste Jury des Filmfests über den mit 2.000 Euro dotierten Preis – das Publikum. In Zusammenarbeit mit dem Filmverband Sachsen konnte aus einer Vielzahl hochqualitativer Einreichungen ein spannungsreiches Programm aus sieben Filmen zusammengestellt werden. 

Die diesjährige Filmnacht greift eine Vielzahl von Stimmungen auf, die sich unter den Oberbegriffen der Suche und der Unsicherheit bündeln lassen und ein diffuses Gefühl der Verunsicherung der Protagonist*innen reflektieren. Eine Verunsicherung spiegelt persönliche Lebensumstände wider, aber auch den Geist unserer Zeit. So beschreibt Luise Fiedler in ihrer Animation FANTASMIA den steten Kampf um das Erschaffen eines künstlerischen Meisterwerks. Der experimentelle Kurzfilm DAS ANRECHT AUF ZERFALL wiederum skizziert auf poetische Weise den Umgang mit Depressionen. In INTERSTATE 8 konstruiert Anne Thieme über die Dauer von spannungsreichen 15 Minuten kammerspielartig ein beklemmendes Szenario, das die Suche nach einem Ausweg aus einer bedrohlichen Situation zum Thema hat. In TITHONOS & DIE GÖTTIN DER MORGENRÖTE ist es die Suche nach der unsterblichen Liebe. In Karl-Friedrich Königs DER RUF betreten wir „gottloses“ ostdeutsches Land und in LYCHEN 92 von Constanze Klaue wird der Campingplatz zu einem Gleichnis der aufgelösten DDR und den damit verbundenen Sorgen in der neu zu findenden Heimat. Es geht um das Suchen und Finden von Halt in einer sich immer schneller wandelnden Welt. Der Abschlussfilm von Clara Winter und Miguel Ferráez, WIR SPRECHEN HEUTE NOCH DEUTSCH, zeigt auf karikierende Weise ein eigentlich überkommenes nationales Selbstbild, an dem offiziell festgehalten und das heute immer noch in Deutschkursen vermittelt wird. 

Jana Endruschat und Sven Pötting

Die Filme

FANTASMIA, Luise Fiedler (Animation, DE 2019)

Krampfhafte Zuckungen und Schreie, die durch die Nacht hallen, künden die Anwesenheit eines neuen Seins an. Sie sagt, es wird ein Meisterwerk.

INTERSTATE 8, Anne Thieme (Fiktion, USA/DE 2019)

Im Süden der Vereinigten Staaten treffen sich zwei junge Frauen zufällig auf dem Rücksitz eines Polizeiwagens und erleben, ohne ein Wort zu sagen, die Ungerechtigkeit, die über ihnen schwebt.

TITHONOS UND DIE GÖTTIN DER MORGENRÖTHE,Jörg Weidner (Animation, DE 2019)

Die Göttin der Morgendämmerung ist dazu verflucht, Sterbliche zu lieben. Sie will, dass einer ihrer Liebhaber – der trojanische Prinz Tithonos – für immer an ihrer Seite bleibt, und ihm wird von Zeus Unsterblichkeit gewährt. Leider hat sie vergessen, um ewige Jugend zu bitten.

DER RUF, Karl-Friedrich König (Fiktion, DE 2019)

Steffen und Ben sind auf Mission im gottlosen Ostdeutschland. Sie sind Anhänger einer evangelischen Glaubensgemeinschaft und wollen Jesus in den ländlichen Dörfern wieder verbreiten. Dabei verbinden sie Bibelstrenge mit Teenager-Slang und christlichem Hip-Hop.

LYCHEN 92, Constanze Klaue (Fiktion, DE 2019)

Nachwendezeit 1992: Mo muss mit seiner Familie die Urlaube auf dem Zelt-platz in Brandenburg verbringen. Das neue System und die brutalen Schwimm-stunden des Vaters haben ihre Spuren hinterlassen.

DAS ANRECHT AUF ZERFALL, Rika Tarigan (Animation, ÄGY/DE 2019)

Ein experimenteller Poetry-Film, der die Kämpfe eines Körpers zeigt – gequält von Depressionen und Angstzuständen. Er erforscht, wie wir uns durch die Schwere von emotionalem und psychischem Stress navigieren.

WIR SPRECHEN HEUTE NOCH DEUTSCH, Miguel Ferráez, Clara Winter (Experimental, MEX/DE 2019)

Auf der Grundlage des Integrationskurses „Leben in Deutschland“ stellt das Projekt die vermittelten Werte und Witze des Unterrichts der Szenerie gegen-über, die das Deutschlandbild im Ausland dominiert.