Themenschwerpunkt Europa: 30 Jahre Europa im Fokus des 30 FILMFEST DRESDEN


Veronika Schubert: In erster Linie (AT), 2016

Die großen europäischen Träume nach dem Ende des Kalten Krieges werden derzeit von einer Krise beschattet. Europa ringt um seine Identität. Diese Auseinandersetzung und die innere Pluralität des europäischen Gefüges spiegeln sich auch im Kurzfilm. In den drei Programmen „Der Freiheit eine Gasse“, „Grenzgebiete“ und „Europe is falling apart“, die sowohl historische und aktuelle Perspektiven einschließen, die utopische, aber auch dystopische Horizonte ausloten wollen, blickt das Filmfest Dresden auf 30 Jahre Europa zurück. Themen sind u.a. die Euphorie in Deutschland unmittelbar nach dem Mauerfall, die Frage nach den geografischen und formalästhetischen Grenzen Europas und den noch nicht überwundenen Nationalismen der Festung Europa. Die Filme des „Fokus Europa“ entlarven ihre Diskurse als „postfaktisch“, geben Denkanstöße und stellen Fragen: Wie kann die politische Regression innerhalb der EU beendet werden? Und: Hat das Projekt Europa doch noch eine Chance?

„Die Zeit der Kunst ist eine andere als die Zeit der Politik. Das berührt sich nur manchmal, und wenn man Glück hat, entstehen Funken“, sagte der Dramatiker und Schriftsteller Heiner Müller 1990. In den Filmen des Programms „Der Freiheit eine Gasse“ – etwa in Penelope Buitenhuis’ „filmischem Tagebuch“ der Wende LLAW – werden diese Funken deutlich sichtbar, aber auch die Euphorie wird nachvollziehbar, die in Deutschland unmittelbar nach dem Mauerfall herrschte. Thomas Heise registriert dagegen die Agonie in der DDR in der Zeit zwischen Öffnung der Mauer und der Wiedervereinigung. Jochen Kuhn imaginierte etwa in DIE BEICHTE eine Zeit in der die großen Ideologien durch Menschlichkeit besiegt sind. 

Das Programm „Grenzgebiete“ präsentiert ein Europa der gescheiterten Utopien und fragt sich, wo – in vielerlei Hinsicht – Europa beginnt und wo endet. Der Zerfall Jugoslawiens, der in Jasmila Žbanićs GEBURTSTAG thematisiert wird, zeigt deutlich auf, dass eine Antwort auf diese Frage nur schwer möglich ist. Bernd Lützelers CAMERA THREAT bewegt sich zwar geographisch von unserem Kontinent weg, dokumentiert aber eindrücklich formalästhetische Entwicklungen des Mediums Film in den vergangenen 30 Jahren und begibt sich in Grenzgebiete, in denen Fakt und Fiktion verschwimmen. Dies ist gleichzeitig auch als Übergang zum Programm „Europe is falling apart“ zu verstehen. Die EU ist in den vergangenen Jahren durch populistische Diskurse schwer unter Beschuss geraten. Als Staatenunion wollte Europa ursprünglich dazu beitragen, Nationalismen zu überwinden. Später suchte man einen Kompromiss zwischen durchlässigen (Handels-)Grenzen und der Notwendigkeit, populären Anti-Immigrationsgefühlen entgegenzukommen - jenem Strohhalm, an den sich diejenigen klammern, welche die vermeintlich sinkende Souveränität von Nationalstaaten beklagen. Heute ist jede Balance längst verloren gegangen. Mit allen Mitteln wird versucht, die vielschichte kontinentale „Festung“ Europa vor Eindringlingen zu schützen. Welche Konsequenzen dies hat, zeigt uns auf Makroebene etwa Laura Waddingtons BORDER, auf Mikroebene demonstriert uns dies Adriano Valerio anhand einer Liebesgeschichte in MON AMOUR, MON AMI.

Die Programme laufen in Thalia und Schauburg.

Alle Vorstellungstermine finden sich hier:

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